Hartmut Geisler
Wir fallen niemals tiefer als in Gottes gütige Hände ...

Die Theologie

des

heiligen Thomas von Aquin in Betrachtungen

von

Louis Bail

Doctor der Theologie an der Sorbonne und Subpönitiar von Paris.

Ins Deutsche übertragen von

J. B. Kempf

Hospitalpfarrenrat zu Mainz

Mainz, Verlag von Franz Kirchheim, 1868

©Elektronische Aufbereitung: Hartmut Geisler

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Erster Band

  • Von den Eigenschaften Gottes

  • Von der allerheiligsten Dreifaltigkeit

  • Von den Engeln

  • Von dem Sechs-Tage-Werk

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    Inhaltsverzeichnis der ersten Abhandlung: Von den Eigenschaften Gottes

  • 1. Betrachtung: Von der Notwendigkeit der Betrachtung

    2. Betrachtung: Von dem Dasein Gottes

    3. Betrachtung: Von den Eigenschaften und Vollkommenheiten Gottes im Allgemeinen

    4. Betrachtung: Von der Einfachheit Gottes

    5. Betrachtung: Von der Güte Gottes

    6. Betrachtung: Von der Unendlichkeit Gottes und seiner Größe

    7. Betrachtung: Von der Unermeßlichkeit und Allgegenwart Gottes

    8. Betrachtung: Von der Unveränderlichkeit Gottes

    9. Betrachtung: Von der Ewigkeit Gottes

    10. Betrachtung: Von der Einheit Gottes

    Erste Betrachtung

    Von der Notwendigkeit der Betrachtung

    I.

    O meine Seele! Bedenke, daß bei sehr Vielen die Unwissenheit in göttlichen Dingen und bei Anderen der Mangel an Aufmerksamkeit auf dieselben eine fruchtbare Quelle von Elend, geistiger Trägheit und von so vielen Sünden ist, die ihr Herz überfüllen. Der heilige Geist sagt es durch den Mund des Weisen: Ja töricht sind alle Menschen, in welchen nicht Erkenntnis Gottes sich findet (Weish 13,1); töricht durch die Torheit ihrer Gedanken, töricht durch die Torheit ihrer Reden, töricht besonders durch die Torheit ihrer Werke. Denn Alles ist Torheit, nur Gott lieben ist Weisheit. Aber um Gott und die göttlichen Dinge zu lieben, muß man sie kennen.

    Der Wille an und für sich ist blind und wandelt im Finsteren, und der Verstand ist die Leuchte, die ihm vorangeht und sein Ziel zeigt. Wenn aber der Verstand selbst finster, wenn er nicht durch die Erkenntnis Gottes erleuchtet ist, wird er auch den Willen nicht zu den göttlichen Dingen leiten und dieser wird ohne Liebe zu Gott, von geistigen Gütern leer und gleichsam überfüllt sein von den Übeln, die in einer Seele sich finden, welche der Liebe Gottes beraubt ist. Verödet ist das ganze Land, weil Keiner ist, der sich es zu Herzen nähme (Jerem 12,1), spricht der Prophet. Jenen, die in dunkler und finsterer Nacht gehen genügt es nicht, daß ihnen der Weg gezeigt, daß ihnen am Eingang des Weges geleuchtet würde; das Licht muß ihnen immer vorleuchten, damit sie nicht auf Irrwege und in die Abgründe geraten. Soll unser Wille den rechten Pfad der Tugend wandeln und nicht in den Abgrund der Sünde stürzen, so muß der Verstand immer ihm leuchten, und da Licht vor ihm hertragen, d.h. er muß mit dem Gedanken an die göttlichen Dinge sich beschäftigen, sie überlegen und Tag und Nacht betrachten.

    Nichts ist gewisser als diese Wahrheit; und ach! Warum denn bleibe ich so lange in meiner Blindheit und Unwissenheit? Warum schlummere ich ein in meiner Trägheit, und richte meine Blicke nicht nach dem Himmel und hefte meine Gedanken nicht an himmlische und göttliche Dinge? Soll mein Verstand nur Einsicht besitzen, um die Dinge dieser Erde zu erkennen; soll ich denn nur Gedanken für die weltlichen Geschäfte haben? O mein Gott! Ich sehe die Quelle meines Unglückes ein, ich erkenne meine Fehler vor dir, verzeihe mir, o mein Gott, und zeige mir das Heilmittel zu meiner vollständigen Genesung.

    II.

    Das Heilmittel gegen diese Unwissenheit und gegen diesen Mangel an Aufmerksamkeit in Bezug auf göttliche Dinge ist die eifrige Betrachtung. Dieselbe erleuchtet den Verstand, zerstreut die Unwissenheit, entflammt den Willen mit heiligen Begierden und lenkt seine Aufmerksamkeit auf göttliche Dinge.

    Da lernt der Mensch die Eigenschaften Gottes, das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit, das Leben der Engel und die Werke der Schöpfung kennen. Da lernt er das Ziel kennen, für das er geschaffen ist, die Richtschnur seiner Handlungen, die Gebote, die Gnade und ihre Wirkungen, die göttlichen und die Kardinaltugenden.

    Da wird ihm das Geheimnis der Menschwerdung gezeigt, das wunderbare Leben Jesu und Mariä, die innere Kraft der heiligen Sakramente und zum Schluß aller dieser Unterrichte die allgemeine Auferstehung und das letzte Gericht über die Gerechten und Ungerechten.

    Es gibt in der Welt keine Wissenschaft mehr, die so erhaben ist und die so viele erhabene Dinge lehrt: ihre Auctorität ist die Gottes, sowie er selbst ihr Hauptgegenstand ist, auf den sie Alles bezieht. Die vollkommene Theologie ist nichts Anderes, als die Beschauung Gottes im Himmel, so zwar, daß die Betrachtung hienieden der Anfang der Glückseligkeit ist, sowie die vollendete Glückseligkeit eine vollständige und vollendete Betrachtung ist. Da nun Gott als unser beseligendes Ziel durchaus unserer Liebe und Sehnsucht würdig ist, so vervollkommnet diese Wissenschaft zugleich den Verstand und den Willen. Sie begnügt sich aber nicht mit unfruchtbaren Forschungen, sondern bringt sie in Verbindung mit Übung von Tugenden und der heiligen Liebe, die sie in ihren Jüngern erzeugt. Denn ihr Hauptziel ist, uns tugendhaft zu machen. Und wenn der Sünder nicht ganz verhärtet ist, entzündet sie ihn zur Liebe und Andacht, weil sie bei der Vorstellung der Vollkommenheiten Gottes und der Tugenden Jesu Christi uns die Liebe einflößt, wenn wir ihrer zündenden Kraft nicht mit unserer Hartherzigkeit widerstehen. Wenn man also Liebe zu den göttlichen Dingen hat, beschäftigt man sich gern mit ihnen. Denn der Mensch denkt von Natur aus gern an das, was er liebt. Siehe darum heilt die Theologie als forschende Wissenschaft in den göttlichen Dingen unsere Unwissenheit und als betrachtende Wissenschaft den Mangel unserer Aufmerksamkeit.

    O himmlische und göttliche Wissenschaft, o Theologie, Mutter und Pflegerin jeder heiligen Betrachtung! O kräftiges Heilmittel gegen unser Elend und unsere Lauheit! Wie wenig lernen dich die Menschen! O Wissenschaft des Heils, wie kann eine Seele, die nach ihrem Heile verlangt, dich verlassen? Ach alle Wissenschaften sind ohne dich eitel und unnütz. Du bist kostbarer als Gold und die reichsten Diamanten, unserer Begierden würdiger, als die Schätze der Welt. Denn welche Beschäftigung ist für den Adel des menschlichen Geistes würdiger, als die Gottheit zu betrachten? O mein Gott! Dich zu erkennen ist vollkommene Gerechtigkeit (Weis 15,3), das ist das ewige Leben, daß sie dich erkennen den wahren Gott (Joh 17,3). Nimm mich auf nach deinem Ausspruche, daß ich lebe (Ps 119, 116). Gib mir einen tüchtigen Geist, und ich werde in dir aufatmen, ich werde seufzen nach dir durch die Empfindungen dieser wunderbaren Weisheit.

    III.

    Zum Studium der göttlichen Dinge und um in Betrachtung der Theologie Fortschritte zu machen, ist vorzüglich Reinheit der Seele notwendig. Der Weise sagt: denn in eine böswillige Seele gehet die Weisheit nicht ein und nimmt nicht Wohnung in einem Leibe, welcher verfallen ist der Sünde (Weis 1,4). Nur reine Herzen können die göttliche Reinheit betrachten. Einsichtsvoller ward ich als Greise, weil deine Gebote ich halte (Ps 119,100), sagt der König David. In der Tat wird von zwei Personen, die an Schärfe und Kraft des Geistes einander gleich sind, diejenige mehr Nutzen von der Wissenschaft der Theologie haben, die ein reineres Leben führt. Darum will der heil. Bonaventura, der dem heil. Thomas als sein bestes Buch das Kruzifix zeigte und mehr durch andächtiges Gebet als durch Studium gelernt hat, daß diese Reinheit eine vollständige sei und sagt, daß die Seele in ihrem Verstande und in ihren Begierden rein sein soll. Der Verstand muß gereinigt sein durch den Glauben und frei von jedem sinnlichen Bilde; denn diese hindert ihn, auf reine Art das zu betrachten, was geistig und himmlisch ist. Die Begierden müssen rein sein durch die Gerechtigkeit und Unschuld. Die Reinheit des Verstandes bewirkt, daß die Seele in Betrachtung tiefer in die göttlichen Geheimnisse eindringt und daß sie ohne Zerstreuung gründliche dabei zu Werke geht, und die Reinheit der Begierden macht sie empfänglicher für die Eindrücke und die heiligen Empfindungen, welche die Betrachtung eines ganz göttlichen Gegenstandes hervorbringen kann. So unterstützen sich wunderbar diese beiden Reinheiten, und sind geeignet in derselben Seele die Wissenschaft und die Andacht hervorzurufen. Dieses bewirkt die Betrachtung der Theologie.

    Ich will mich prüfen über diesen Punkt und sehen, ob ich diese doppelte Reinheit besitze. Ach mein Gott, ich werde vor dir ganz beschämt. Wie sollte ich es wagen, mich dem erhabenen Heiligtume deiner Geheimnisse zu nahen? Meine Lippen sind zu unrein, um von deiner Heiligkeit zu sprechen; mein Herz ist zu sehr beschmutzt, um dich darin aufzunehmen. Aber du mein Gott bist die Quelle, in welchem unsere Unreinheit verzehrt wird. Du mein Gott, du Quelle der Reinheit, reinige meine Seele von ihrer Ungerechtigkeit, läutere meinen Geist, erhebe meine Begierden zu dir, damit ich durch heilige Gewalt die Wunder deiner Geheimnisse betrachte und damit in meiner Betrachtung das Feuer deiner heiligen Liebe sich entzünde.

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    Zweite Betrachtung

    Von dem Dasein Gottes

    I.

    Betrachte die Wichtigkeit dieser Wahrheit: Gott ist. Dieses ist die erste von allen Wahrheiten in der Welt, denn Alles bestätigt sie. Dieses ist eine ewige Wahrheit, denn von jeher war es wahr, und es wird wahr bleiben, daß es einen Gott gibt. Er ist vor allen Jahrhunderten ohne Anfang. Dieses ist eine notwendige Wahrheit, denn es ist unmöglich, daß Gott nicht sei.... Alle Geschöpfe, die sind, können auch nicht sein und werden aufhören zu sein, wenn er sie vernichten will, aber er kann nicht nicht sein, er kann nicht aufhören zu sein und sein Dasein ist absolut notwendig. Dieses ist eine unabänderliche Wahrheit und nie wird sie sich ändern, für die ganze Ewigkeit wird es wahr sein, wenn man sagt: Es gibt einen Gott. Diese Wahrheit ist das Fundament der Religion und die Quelle aller vollkommenen Tugenden. Denn Religion und Tugend werden nur im Hinblick auf Gott geübt, der unendliche Huldigungen verdient. Diese Wahrheit veredelt die Naturanlage der Menschen, zähmt ihre Unbändigkeit und hält sie ab von Barbarei; denn die Gottesfurcht besänftigt sie und macht sie gesellig. Diese Wahrheit ist die tröstlichste in der Welt; denn der Gedanke an Gott ist die Freude der tugendhaften Menschen, besonders am Ende ihrer Tage. Sie sehen wie vergänglich dieses Leben und wie hinfällig seine Freuden sind. Sie hoffen aber, in ihm allein mehr Güter zu finden, als sie in dieser Welt beim Scheiden von derselben verlassen. Wie ganz anders bei den Gottesleugnern. Sie lebten ohne Glauben, und haben so viel und so lang sie konnten an den Freuden der Welt sich gesättigt. Wenn sie nun dieselben dahinsterben sehen, bleibt ihnen kein Trost. Sie fallen in die äußerste Traurigkeit und Verzweiflung.

    Diese erhabene und wichtige Wahrheit nehme ich freudig auf, ich umfasse sie mit aller Macht meiner Seele. Ich glaube es unbezweifelt, ich glaube es, o mein Gott: du bist. Ich würde eher an meinem Leben als an deinem Dasein zweifeln. O höchste Wahrheit, ich werde dich immer bekennen mit Herz und Mund! Wenn ich tausend Leben hätte, so wollte ich sie eher alle verlieren als dein Dasein leugnen. O erste und ewige Wahrheit, o ganz heilige und ganz tröstliche Wahrheit: Gott ist!....

    II.

    Die Kenntnis dieser wichtigen Wahrheit besitzt der Mensch von Natur aus. Und gewiß die ganze Schöpfung hilft ihm dazu: denn aus der Größe geschöpflicher Schönheit wird vergleichungsweise deren Bewerksteller erschaut (Weis 13,5). Gott! das ist der Ruf aller Geschöpfe. Sie erzählen und verkündigen Jedem, der sie betrachtet, in allen ihren Zuständen, in allen ihren Gestalten und in allen ihren Eigentümlichkeiten sein Wesen und seine Vollkommenheiten. In ihrem Wesen betrachtet verkündigen sie ein erstes Wesen, das ihr Ursprung ist; denn die ganze Welt ist nur Schöpfung. Es muß also außer der Welt einen Schöpfer geben. In ihrer wunderbaren Ordnung, in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und allgemeinen Harmonie betrachtet, verkündigen sie eine höchste Weisheit, die ihre Stellen ihnen gegeben, ihre Zeiten bestimmt und ihre Verrichtungen ihnen angewiesen hat. Denn eine schöne Ordnung in einer großen Vielheit ist die Wirkung der Weisheit. Und wie ein mächtiges Kriegsheer nicht zufällig aufgestellt ist, sondern durch Befehl eines weisen Feldherrn, so verhält es sich auch mit den Geschöpfen der Welt. Betrachtet in der Verschiedenheit und in der Zahl ihrer Fähigkeiten und Eigentümlichkeiten, die selbst in den kleinsten Tieren so gut zusammengepaßt sind, daß die Welt seit mehreren tausend Jahren immer noch mit allen ihren Gattungen und Arten ungeachtet des beständigen Gegensatzes, der unter ihnen ist, fortbesteht, verkündigen sie diese höchste Vorsehung, die die Welt mit allen ihren Wundern erhält. Mit einem Worte, alle Geschöpfe offenbaren die Größe und die Vollkommenheiten Gottes, jedes in seiner Art: die mächtigen zeigen seine Macht, die schönen seine hinreißende Schönheit, die lieblichen seine Milde. Auch alle Nationen der Welt haben eine Gottheit erkannt, sie alle hatten Priester und Opfer. Die wildesten und selbst die grausamsten haben mitten in ihrer Barbarei noch Gottesbewußtsein bewahrt; so sehr ist dies Bewußtsein eigentümlich, so sehr ist es dem Menschen eingegraben und von Natur aus eigen. Was macht’s, wenn Einzelne diese Wahrheit mißkannt haben? Dieses sind Mißgeburten unter den Menschen, deren Seele entstellt und deren Geist unnatürlich ist. Sie sind aber auch so selten wie die Missgeburten. Und selbst diese hegen diesen Unglauben nur in der Verwegenheit ihrer Jugend. Der größte Teil kommt wieder zu besserer Gesinnung, wenn der Tod näher rückt.

    Ich freue mich, o mein Gott, daß die ganze Natur mit vereinter Kraft den Menschen deine Erkenntnis und das Bewußtsein deines Daseins einprägt; ich freue mich, daß alle Völker der Erde in diesem Bewußtsein und in deinem Dienste einstimmig sind. Es ist über uns ja ganz sichtbar deines Angesichtes Glanz, o Herr; du gabst mir Freude in das Herz (Ps 4,7). Du bist mein Gott, du bist mein Ursprung. Nein ich verlange sonst Nichts, wenn ich nur dir wohlgefällig bin. O möchte meine Seele nach dir sich sehnen, so lang sie dich nicht vollkommen schaut. O würdige meine Seele eines Blickes, gieße in sie einen Strahl deiner Liebe, und von da an will ich dein eigen sein, dir angehören, o mein Gott! O mein wahres Gut, möchte ich so mir Mühe geben, um in tausend und tausend Arten dir zu gefallen.

    III.

    Aber wie muß man sich Gott vorstellen? Die abgöttischen Heiden, und auch Irrlehrer haben sich ihn grobsinnlich unter körperlichen Formen und Gestalten vorgestellt, die seiner Größe unwürdig sind. Andere weniger Ungebildete haben sich ihn wie ein schönes Licht gedacht, das allerseits ausgegossen ist, aber als ein so glänzendes und lebendiges Licht, daß das Auge des Geistes seinen Glanz nicht ertragen kann, wie in der dichtesten Finsternis sich fände und Nichts sähe, wenn es den anschaute der Alles ist. Der scharfsinnige Scotus a) nähert sich mehr der Wahrheit, wenn er sagt, daß die schönste Idee, die wir uns von Gott machen könnten, diese ist, sich ihn unendlich und alle Vollkommenheit übertreffend zu denken. Aber ein alter Lehrer b) der Theologie scheint uns noch den besten Begriff aufgestellt zu haben, wenn er behauptet, daß die vollkommenste Idee, die wir von dem göttlichen Wesen haben können, diese ist, sich es vorzustellen als einen Gott in drei Personen. Einheit in Wesenheit und Dreiheit in Personen, das ist der richtige Ausdruck seines Wesens; denn er ist nicht körperlich und ist, eigentlich zu sagen, weder Licht noch Finsternis, und obwohl er unendlich die Unendlichkeit selbst ist, so bezeichnet doch dieser Ausdruck immer nur eine seiner Eigenschaften und nicht seine Wesenheit, wodurch er das erste und höchste Wesen ist, das unabhängige Wesen und die Vollkommenheit selbst, durch welche er in drei unendlichen Personen subsistiert, Vater, Sohn und heiliger Geist. Dreiheit ist der unterscheidende Charakter seines Wesens. Und seitdem ist die beste Art, sich von ihm eine Vorstellung zu machen, wenn man sich ihn vorstellt wie er ist, dabei aber Alles, was sinnlich und geschaffen ist, abstreift; denn um von Gott sich eine Vorstellung zu machen, muß man Alles hinwegdenken, was in der Welt ist und Alles, was in derselben nicht ist. Denke Nichts von Allen diesem, sagt der heil. Augustin. Nur eines mußt du bedenken, wenn du Gott sehen willst: Gott ist die Liebe. Er will sagen: Wenn man sich Gott vorstellen will, muß man sich die Liebe selbst vorstellen.
    a) In Mescellan 9,5
    b) Joann. de monte S. Egigii.

    O! wie hoch und erhaben ist der Gedanke, sich von Allem zu trennen, um sich mit Gott zu vereinigen! Wie werde ich so frei werden, auf daß ich, entäußert von allem Gewölk der geschaffenen und eingebildeten Dinge, meinen Ursprung mit dieser großen Reinheit und dieser Vollkommenheit erfasse? O allerhöchster Gott, dem Nichts vergleichbar, vor dem Alles Niedrigkeit und Eitelkeit ist. O möchte ich alle Dinge, die sind und nicht sind, nur kennen, um dich zu sehen! Ach wie bin ich von Staunen hingerissen, wenn ich dich als so edel und so groß erfasse und wie rufe ich aus dem Grunde meines Herzens: O erstes und höchstes Wesen, o Unendlicher! O Gott ganz vollkommen und subsistierend in drei unendlichen Personen! O Größe! O Majestät! O Vollkommenheit über alle Vollkommenheiten! O Liebe! O unendliche Liebe!

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    Dritte Betrachtung

    Von den Eigenschaften und Vollkommenheiten Gottes im Allgemeinen

    I.

    Gott besitzt mehrere Eigenschaften. Dieselben sind aber bei ihm Vollkommenheiten, gehören seinem Wesen und erheben es. Denn da Gott das erste Wesen, das unabhängige Wesen ist, so ist leicht einzusehen, daß er alle Vorzüge der übrigen Wesen besitzt und unendlich mehr. Wenn Gott in der Tat das erste und höchste Wesen ist, so ist er die Ursache aller übrigen Wesen, er übertrifft darum auch alle Geschöpfe, die Pflanzen, die Himmel, die Menschen, die Engel und Alles, was ist. Denn wenn die Erde dauerhaft ist, wenn die Lilie Schönheit besitzt, wenn die Menschen mit Weisheit ausgerüstet sind, wenn die Himmel Licht spenden und die Engel in Güte strahlen, so besitzt Gott Alles dieses mit noch viel mehr Recht, weil er das erste und erhabenste Wesen ist. Wenn man von einem Menschen sagen würde, er sei der erste und der höchste unter den Monarchen der Erde, müßte man den Schluß ziehen, daß er als der größte und mächtigste der Könige, doch auch eine große Herrschaft, reiche Schätze, herrliche Paläste, mächtige Kriegsheere und sein seiner Größe entsprechendes Gefolge habe. Nun denn, nachdem wir einmal Gott als das erste und unabhängige Wesen erkannt haben, müssen wir auch folgern, daß er mit allen Arten von Vollkommenheiten geschmückt ist und auf dieser Grundlage das Gebäude seiner unendlichen Vollkommenheiten errichten.

    Ja mein Gott, da du das erste Wesen, das unabhängige Wesen bist, so gibt es keine wahre Schönheit und Vollkommenheit, die du nicht besitzest. O! Ich danke dir, daß ich kaum an der Schwelle deines Heiligtums dein Wesen voll Vollkommenheit und Adel sehe. O ich bete dich an, ich verehre dich in deinem unendlichen Vorrang, der mir den Schatz dieser Eigenschaften eröffnet, die dich über alle Ahnung hinaus schmücken.

    II.

    Die Eigenschaften Gottes ist eine große Zahl, denn obwohl Alles, was in dem göttlichen Wesen ist, ein einziges Wesen ausmacht, so unterscheiden wird doch der besseren Betrachtung wegen dasselbe im Einzelnen und abteilungsweise. Im Großen und Ganzen können wir es nicht betrachten. Darum werden die einen unter den Eigenschaften negative, die anderen positive genannt. Die negativen Eigenschaften sagen ein Nichtsein einer Vollkommenheit aus und diese sind der Majestät Gottes am würdigsten; denn wenn wir von Gott reden, sagt der heil. Dionysius, sagen wir besser, was Gott nicht ist, als was er ist. Die positiven Eigenschaften setzen in Gott eine Vollkommenheit voraus und zeigen an, was in ihm ist, wie die Macht, die Liebe. Von diesen sind die einen absolute und drücken aus, was in Gott an und für sich ohne Rücksicht auf das Geschöpf ist; die anderen sind relative und drücken das aus, was in Gott ist in Bezug auf die geschaffenen Dinge, wie die Vorsehung und und die Auserwählung. Unter diesen Eigenschaften gibt es einige, die Gott dem Geschöpfe mitteilt, wie die Weisheit, die Gerechtigkeit, die Barmherzigkeit. So gibt es auch andere, die er einem geschaffenen Wesen nicht mitteilt, wie die Unendlichkeit. Mit einem Worte: es gibt nach unserer Auffassung so viele Eigenschaften Gottes, daß Alles, was wir hienieden kennen, nicht der hunderttausendste Teil von dem ist, was wir von Vollkommenheiten Gottes nicht kennen. Denn die Vollkommenheiten des göttlichen Wesens überragen weit alle Gedanken und Vorstellungen der Engel und der Menschen.

    Wie groß ist die Fülle deiner Lieblichkeit, o Herr (Ps 30,20). Welche Beweggründe für ein Herz in dieser Fülle der Güter, dich mehr zu lieben als alle Geschöpfe! Denn wenn sie ein Gut besitzen, besitzen sie nicht das andere; wenn sie Schönheit haben, mangelt ihnen Unsterblichkeit; wenn sie jung sind entbehren sie der Klugheit und Weisheit. Aber in dir, o mein Gott, ist jedes Gut überfließend , du hast Überfluß in jeder Art. Du bist Alles in Allem, o Gott.... Ach lasse dich einnehmen, o meine Seele, lasse dich hinreißen von so vielen hehren Vollkommenheiten. Wenn Alles Andere dir fehlte, genügt dir Gott allein.

    III.

    Aber die Eigenschaften, die Gott seinen Geschöpfen mitteilt, sind in diesen mit großer Ungleichheit; denn die Weisheit, die Gerechtigkeit, die Barmherzigkeit und die Güte, die sich in den Geschöpfen finden, sind in Gott in einem Grade unendlich erhabener Vollkommenheiten vorhanden. In Gott sind diese Vollkommenheiten in der Unversehrtheit ihrer Kraft und ohne eine Beimischung von Unvollkommenheit; aber in den Geschöpfen sind sie mit Mängeln vermischt, die sie schwächen. In Gott ist Alles unendlich; die Macht ist dem Willen gleich, die Ruhe ohne Überdruß, die Tätigkeit ohne Mühe, die Schönheit ohne Ziererei, die Freude ohne Ende, die Gerechtigkeit ohne Härte, die Barmherzigkeit ohne Opfer, die Vorsehung ohne Sorge, die Seligkeit ohne Trübung. Mit einem Worte, das Übel nahet Gott nicht und Plagen werden nicht einmal einen Blick auf die Pforte seines Hauses. In den Geschöpfen dagegen ist kein vollkommenes Glück: die Vernunft ist verdunkelt, die Macht ist begrenzt, ihre Weisheit ist mehr eine Unwissenheit, die Güte ist mangelhaft, die Größe ist voll Gefahr, die Ruhe ist Schwäche, die Schönheit ist vergänglich; die Leidenschaften beunruhigen das Herz, die Fülle erzeugt Übermut; mit einem Wort Alles in den Geschöpfen ist begrenzt, abhängig, schwach wie sie. Daraus geht klar hervor, daß Gott allein die wahren Vollkommenheiten besitzt. Er ist unvergleichlich in seinem Wesen und er allein besitzt die Macht über sich und seine Vollkommenheiten. Nicht ein einziges Wesen kann mit ihm einen Vergleich bestehen.

    Nie kann das Geschöpf mit dir, o mein Gott, sich vergleichen! Dir muß alles weiche. Denn wer ist dir vergleichlich unter den Starken, o Herr (Exod 15). O ich demütige mich vor dir, unvergleichlicher Gott! Ich freue mich, daß unsere Armseligkeiten, unsere Schwächen und unsere Niedrigkeit in dir nicht sind. Deine Weisheit, o mein Gott, hat so gewollt, das jedes Geschöpf in der Unvollkommenheit bleibe, damit unser Herz sich davon losmache und zu dir allein sich erhebe, der du allmächtig bist. Darum will ich ihnen mein Herz entreißen und dir es ganz schenken. O mein Gott, mache, daß auch ich, sowie du ohne einen Mangel ganz vollkommen bist, wenigstens in den Handlungen meines Berufes ganz vollkommen bin, so daß mir Nichts fehlt, um dir ganz wohlgefällig zu sein.

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    Vierte Betrachtung

    Von der Einfachheit Gottes

    I.

    Gott ist einfach; er hat keinen Körper; er ist ganz Geist, ohne Unterscheidung von Teilen. Er ist die vollkommenste Einheit; und Alles was in ihm ist, ist nicht bloß vereinigt in ihm , sondern in der Einheit. Die Einfachheit Gottes ist nichts Anderes als eine bewundernswerte Einheit, welche jede Vollkommenheit in sich einschließt. Wie sehr arg haben sich die Abgötterer und alle Jene betrogen, die eine körperliche Gottheit angebetet haben! Armselige Jahrhunderte, wo die meisten Menschen in einer Blindheit lebten, daß sie unter dem unvernünftigen Tiere standen; denn wenn diese Gott nicht kennen, haben sie doch wenigstens seine unendliche Erhabenheit nicht so erniedrigt und seiner Gottheit unwürdig behandelt. Wie! das Götzenbild, durch Menschenhand gemacht, das Götzenbild, sein Werk in dieser Beziehung! konnte es denn der Schöpfer des Menschen sein! Ach wenn der Mensch mit Vernunft begabt und wenn ihm vergönnt war, diese Geschöpfe zu betrachten, die am Himmel und auf der Erde glänzen, so sollte er sie nicht anbeten, sonder durch sie zum wahren Gott, ihrem Schöpfer und Herrn sich erschwingen.

    O allerhöchster Gott, warum haben dich die Menschen während so vielen Jahrhunderten so schlecht erkannt? Warum haben sie von deinem unendlichen Wesen so verächtlich geglaubt? Der Heiden Götzen sind Silber und Gold, Gebilde von Menschenhänden. Mund haben sie und reden nicht, Augen haben sie und sehen nicht, Ohren haben sie und hören nicht (Ps 113,4.5.6). Aber unser Gott ist im Himmel und hat nicht die Niedrigkeit des Fleisches, noch ist er mit der Unwürdigkeit des Körpers angetan: er ist Geist. O Gott, mache auch mich geistig, damit ich dich anschaue, und mit den Flügeln eines geläuterten Geistes zu dir mich erhebe; denn du bist Geist und willst, daß wir dich im Geiste und in der Wahrheit anbeten.

    II.

    Gott ist einfach, weil er nichts Fremdartiges in sich hat. Er ist gut, ohne daß man von Beschaffenheit und Größe seiner Güte reden kann, Schöpfer, ohne daß er, um schöpferisch zu sein, Etwas bedarf; überall ohne Örtlichkeit, ewig, ohne Ende, alle Dinge verändernd, ohne selbst verändert zu werden, oder Etwas zu sich hinzunehmen. Der Engel ist auch geistig, aber ist nicht vollkommen einfach, weil seine Wesenheit aus sich selbst arm und mangelhaft ist und für seine Vollkommenheit eine Menge Eigenschaften notwendig hat, die wie verschiedene Farben seine Wesenheit verschiedenfarbig machen und sie der natürlichen Vollkommenheit der Einfachheit berauben; aber die Wesenheit Gottes ist voll von Wundern; sie ist reich und überreich; sein Wesen ist ein unendlicher Schatz und eine unerschöpfliche Quelle, die ihn mit allen möglichen Vollkommenheiten versieht, ohne daß er nötig hat, Etwas außer sich zu suchen und Etwas Fremdes in sich aufzunehmen. Er besitzt Alles in der Einheit des Wesens allein, und in dieser Einheit die ganze Fülle der Vollkommenheiten in der Art, daß sein Wesen alle seine Vollkommenheiten in sich faßt; es ist seine Ewigkeit, seine Unendlichkeit, seine Macht, seine Liebe: daher adelt dieses Einfachheit in der Art das göttliche Wesen, daß es ganz Wesen ist; durch sie ist jede Eigenschaft unendlich geadelt und in ihrer Eigentümlichkeit erhöht; weil diese Einfachheit bewirkt, daß eine Eigenschaft alle übrigen, eine Vollkommenheit alle übrigen Vollkommenheiten in sich begreift; daß seine Ewigkeit seine Unendlichkeit ist, seine Glückseligkeit und seine liebe und ebenso durch Rückwirkung ist seine Liebe seine Glückseligkeit, seine Unendlichkeit und seine Ewigkeit.

    Welche Verwunderung müssen wir nicht hegen für diese göttliche Wesenheit und für jede seiner Eigenschaften, weil jedes Einzelne durch eine wunderbare Einfachheit das Ganze ist! Verstehe dieses meine Seele! Wer Gott in einem Punkte besitzt, besitzt ihn ganz. Gott kann nicht teilweise besessen werden. O verwende darum auch nicht bloß einen Teil deiner Kräfte und deiner Macht darauf. Er will nicht bloß teilweise besitzen. Gib dich ohne Rückhalt demjenigen, der Alles ist, vereinfache für ihn deine guten Meinungen und deine Begierde, auf daß du getrennt von jeder fremden Begierde in der Einfachheit des Herzens dich nur bestrebest, ebenso diese wunderbare Vollkommenheit, die in ihm ist, zu verehren.

    III.

    Gott ist auch noch einfach, weil er keine Zweideutigkeit und Betrügerei anwendet. Er ist die reine Wahrheit und nie bemäntelt er sich. Er ist nicht anders äußerlich und anders innerlich; seine Worte sind nur die natürlichen Ausdrücke der Gedanken. Wenn er spricht, so geschieht es mit Aufrichtigkeit; wenn er Etwas verspricht, tut er es mit der Meinung, sein Versprechen zu halten; wenn er den Ungehorsamen mit ewigen Strafen droht, so tut er es ebenfalls in der Absicht seiner Drohung nachzukommen; denn die Zweideutigkeit ist ein sehr verworfenes, sehr niederträchtiges und seiner sehr unwürdiges Laster. Ein Zeichen von Schwäche ist es, wenn man durch List versuchen will, was man offen nicht tun kann, oder es ist ein Anzeichen von Bosheit, die man beschönigen oder von Betrügerei, die man ausführen will: lauter Dinge, die der Größe und würdevollen Majestät Gottes unwürdig sind. Die Heuchler und die Menschen doppelten Herzens sind ihm ein Greuel. Die Einfachheit und Offenherzigkeit im Gegenteil bereiten die Seelen zu heiliger Vertraulichkeit mit Gott vor, der an der Natürlichkeit Wohlgefallen hat und gern mit denen verkehrt, die Einfalt der Tauben und die Milde des Lammes besitzen.

    Ich muß also den Worten Gottes glauben, denn sowohl wenn er verspricht, als wenn er droht, tut er es in Einfachheit. Ich will die Liebe zur Natürlichkeit und herzlichen Aufrichtigkeit in allen meinen Handlungen üben. Betrügerei, Lüge und Zweideutigkeit soll mir als ein vom Himmel verfluchtes Laster ein Greuel sein. O ewige Wahrheit, gib mir die Gnade einfältig ohne Ziererei zu sein, sowohl in meinem Hause als auch öffentlich, sowohl vor den Menschen als auch vor dir, o Gott, dem Nichts verborgen ist.

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    Fünfte Betrachtung

    Von der Güte Gottes

    I.

    In Gott ist die Güte des Wesens, die eine unendliche Güte ist, eine Güte, die er in sich von Ewigkeit besitzt, und für welche er all unserer Liebe würdig wäre, wenn er selbst den Geschöpfen keine Wohltat erwiesen hätte. a) Diese Güte kommt allen Wesen zu, insoweit sie die zu ihrer Natur notwendigen Eigenschaften besitzen. So ist das Wasser gut, wenn es Reinheit, Klarheit, Kühle und Flüssigkeit hat. Die Frucht ist gut, wenn sie Schmackhaftigkeit, Süße und entsprechende Farbe hat und ebenso andere natürliche Dinge, die durch ihre eigentümliche Vollkommenheit gut sind. Gott hat alle Eigenschaften und Vorzüge, die zu seiner Natur notwendig sind. Er ist wahr, er ist einfach, er ist notwendig. Da er wahr ist, hat er Alles, was ihm zusteht; da er einfach ist, hat er es ganz und nicht teilweise, so daß Nichts ihm fehlt; da er notwendig ist, hat er es absolut und ohne jemals desselben verlustig werden zu können.

    Daraus entspringt die Güte seines Wesens, die alle seine Eigenschaften zusammenfaßt und macht, daß er gut genannt wird, nicht bloß, weil er den Geschöpfen Gutes erweist, sondern weil er unendlich vollkommen ist, allmächtig, höchst glückselig und weise, groß, majestätisch und heilig, so zwar, daß seine Güte unendlich ist und allgemein, nicht wie in einem Geschöpfe, wo die Güte nur ein gewisses Maß erreicht; denn in ihm ist die Güte ohne Grenze. Da nun das vollständige und allgemeine Gut mehr ist als jedes besondere Gut, so ist auch Gott das beste von allen Wesen, er ist das Gut aller Güter und das höchste Gut über alle Güter, die nur so viel Güte besitzen, als sie durch Teilnahme an der seinigen, und als sie mit derselben Ähnlichkeit haben.

    Lobet den Herrn, weil er gütig ist (Ps 106), weil er das beste und liebenswürdigste von allen Wesen ist. Er ist gut durch alle möglichen Arten von Güte. Er faßt in sich Alles was es Reines, Alles was es Schönes, Freudiges, Nützliches, Alles was Rühmliches, Mildes, Reiches, Ehrendes, Tugendhaftes, Liebenswürdiges gibt.
    a) Thom. qu. 9. Thom. lib. 1. contra gentes c. 40

    O Gott von unendlicher Güte, du allein bist das ganze Gut der Welt. Du bist wegen deiner selbst und wegen deiner Güte liebenswürdig, o mein Gott. Wehe den Seelen, die von einer solchen Güte, wie die deinige ist, sich abwenden, und die es wagen dieselbe zu beleidigen, oder die ein Gut außer dir suchen. Denn in dir allein findet man alles Gute. O höchste Güte! O hätte ich dich nie beleidigt!

    II.

    In Gott gibt es auch noch eine Güte des Wohlwollens und der Ausgießung seiner Güte in alle Geschöpfe der Welt, welchen er sich mitteilt und Gnaden zuwendet. In diesem Sinne ist er gut gegen alle Geschöpfe, im Himmel und auf der Erde. Er ist gut den Engeln, den Menschen, den Sternen, den Elementen, den Fischen, den Vögeln, den Haustieren und den wilden Tieren, den Pflanzen und den Steinen, mit einem Worte allen Geschöpfen, großen und kleine, bis zum Wurme der Erde, der sich seiner Geschenke erfreut, indem er einigermaßen Teil nimmt an den Reichtümern und an der Güte seiner Natur. Wenn du eröffnest deine Hand, wird Alles erfüllt mit Gutem (Ps 103, 28). Du öffnest deine Hand und sättigst Alles, was lebt, mit Segen (Ps 144,16). Der auf Bergen Gras sprossen läßt, und Kräuter zu der Menschen Dienste, der ihre Speise gibt den Tieren und den jungen Raben, da sie zu ihm schreien (Ps 146,8.9). Diese Güte ist ähnlich der Sonne, die ihre Strahlen allenthalben ausgießt und alle Wesen, sowohl diejenigen, die mit Vernunft begabt, als die derselben beraubt sind, erleuchtet. Wenn einige nicht von dem Einflusse dieses Gestirnes empfangen, so dürfen wir nicht ihm die Schuld beimessen, denn durch unerschöpflichen Ausfluß strahlt und sendet es Licht nach allen Seiten. Die göttliche Güte, die die Sonne so weit überragt wie die Wirklichkeit die Schatten übertrifft, gießt überall und schüttet überall vom Himmel bis zur Hölle a) die Wirkungen ihrer unendlichen Güte aus.... Durch diese Güte ist er das Gut, das im höchsten Grade sich mitteilt, nicht aus Zwang oder aus Notwendigkeit, nicht aus Bedürfnis oder in der Hoffnung auf Ersatz, sondern aus heiligem Verlangen, das ihn antreibt, allen Geschöpfen Gutes zu erweisen und ihnen mit Gunstbezeigungen zuvorzukommen.
    a) Dinonys. de div. nom.

    O Gott, dessen Natur die Güte selbst ist; diese Güte, die alle Wesen umfaßt, sei immer gebenedeit. Ich danke dir jetzt im Namen aller Geschöpfe, die ohne Vernunft und Gefühl sind und nicht Kenntnis genug haben, um dir zu danken. Ich danke dir auch im Namen Aller, die mit Vernunft begabt sind und die nichts desto weniger undankbar bleiben, und den Dank für deine Güte verweigern. Gleich sind diese den niedrigen Tieren, die die Eichel unter der Eiche auffressen, ohne auch nur einen Blick zu ihren Ästen zu richten. O mein Gott, womit soll ich dir danken? O Gott, der du so unendlich gut bist, o könnte ich deine Hochherzigkeit nachahmen und jedem Geschöpfe Gutes erweisen, so viel in meiner Macht steht.

    III.

    Aber besonders ist Gott dem Menschen gut und für ihn ist seine Güte sorgfältiger als für alle übrigen Geschöpfe. Er ist dem Menschen gut als das Urwesen, das ihm das Wesen gegeben hat. Er ist ihm gut als sein Erhalter, der ihn beschützt. Er ist ihm gut als das Ziel, der Mittelpunkt und die Glückseligkeit, in der er mit Wonne ruhen soll. Gott ist dem Menschen gut, wie ein Freund seinem Freunde gut ist; denn er ist der treueste und zärtlichste Freund. a) Er ist dem Menschen gut, wie ein Vater seinen Kindern; denn er ist der Vater voller Trost. Er ist ihm gut, wie dem Bedürftigen der Wohltäter, denn er sorgt für seine Bedürfnisse. Gott ist dem Menschen gut, gleichsam der Schatz jeder Art von Gütern für ihn. Er ist das höchste Gut, das der Mensch als die Quelle jeder Tugend und Erhabenheit suchen kann. Er ist auch das höchste Gut des Menschen, denn Alles hat er von Gott in zeitlicher und geistiger Beziehung. Er ist endlich sein höchstes Gut, weil er jetzt, wenn er ihn liebt, Wonne und unaussprechlichen Trost empfängt und in der Hoffnung für die Ewigkeit solche Freuden, die man nicht aus de Kraft eines endlichen Wesens schöpfen kann. Mit einem Worte, Gott ist dem Menschen gut durch alle seine Eigenschaften: seine Macht schafft und erhält ihn, seine Weisheit lenkt und leitet ihn, seine Liebe begünstigt und liebkost ihn, seine Vorsehung wacht über ihn, seine Barmherzigkeit verzeiht ihm , seine Gerechtigkeit erträgt ihn, seine Schönheit reißt in fort zur Wonne der heiligsten Verwunderung, seine Ewigkeit sichert ihn, daß er ihn, wenn er ihn einmal besitzt, nie verlieren wird, seine Unermeßlichkeit läßt ihn überall seinen Gott finden. So ist Gott dem Menschen gut und Alles, was in Gott ist, ist Gut des Menschen.
    a) Suarez 1. 1. de Attr. c. 8.

    Was soll ich nun noch sagen, meine Seele? Gut ist der Herr denen, so auf ihn harren, der Seele, die ihn sucht (Klagel 3,25). O möchte ich dich suchen, o mein Gott, und möchte ich mich begnügen, dich zu finden. O mein höchstes Gut, möchten alle Dinge der Erde meinen Augen verächtlich sein im Vergleich mit dir; möchten alle Schmeicheleien der Geschöpfe mir zur Last sein und möchte ich nur deine Liebkosungen suchen. Gut bist du und nach deiner Güte lehre mich meine Satzungen (Ps 118,68). Alles was in dir ist, ist gut für mich, o möchte doch auch Alles, was in mir ist, gut für dich sein. Möchten alle meine Fähigkeiten gut sein im Hinblick auf dich, mein Verstand, indem er dich betrachtet, mein Wille, indem er dich liebt, mein Gedächtnis, indem es an dich sich erinnert und mein Körper , indem er sich als ein Opfer aufzehrt in den Werken deines Dienstes.

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    Sechste Betrachtung

    Von der Unendlichkeit Gottes und seiner Größe

    I.

    Gott ist zuerst unendlich in der Vielheit seiner Vollkommenheiten. Er hat zwar nicht verschiedene von einander abweichende Vollkommenheiten, denn vermöge seiner Einfachheit machen sie nur ein einziges Wesen aus; aber nach unserer Auffassung sind sie in der Zahl unendlich. Die Theologen stellen wohl nur eine kleine Zahl von Eigenschaften Gottes auf; denn in der Dunkelheit dieses Lebens sehen wir kaum einen Funken dieses unendlichen Lichtes. Es gibt aber noch eine Millionen anderer, die die Engel und die Seligen schauen.

    Kann er nicht in der Tat die verschiedenen Geschöpfe bis ins Unendliche und immer mit einem neuen Grade von Vollkommenheit vervielfachen? Wenn er hundert tausend Arten Engel geschaffen hätte, wäre seine Macht nicht erschöpft, er könnte täglich die Zahl vergrößern. Dieses in Zweigel ziehen, hieße seine Macht ohnmächtig machen. Wollte man glauben, daß nach der Erschaffung von neuen Chören Engel Gott die Hände gebunden und seine Macht erschöpft wäre, so wäre dieses nicht würdig von ihm gedacht. Wir müssen uns eine vollkommene Idee von seiner Macht bilde. Aber mag diese Idee, die wir uns bilden würden, noch so vollkommen sein, sie würde der Wahrheit noch keineswegs gleichkommen; denn Gott wird in sich selbst immer größer sein als in den höchsten Gedanken unseres kleinen Verstandes.

    Nun muß Gott mindestens ebenso viele Vollkommenheiten besitzen, als er dem Geschöpfe mitteilen kann. Wenn also die Vollkommenheiten, die dem Geschöpfe möglich sind, unendlich viele sind, mit wie viel mehr Recht sind die wirklichen Vollkommenheiten Gottes unendlich in der Zahl.

    Ich will Gott von ganzem Herzen lobpreisen wegen so viele Wunder, die uns noch unbekannt sind. Wenn schon der Mensch, der nur einige Grade von Vollkommenheit besitzt, durchweg so erhaben unter den Geschöpfen dieser Welt ist, was muß man von der Schönheit Gottes sagen, die alle Schönheiten, die man sich nur denken kann, einschließt? O mein höchstes Gut, man hat hienieden von deine Vollkommenheiten nicht den hunderttausendsten Teil genannt. Deine Propheten, deine Evangelisten, deine Gelehrten stammeln nur, wenn sie aussagen wollen, was du bist. O wie glücklich sind deine Engel und deine Auserwählten, die immer dein Angesicht schauen. Wann werde ich, o mein Gott, den Grund dieser Wesenheit schauten, die so viel Schönheit strahlt? Denn du, o mein Gott, bist das Ziel meines Verlangens, weil du ohne Grenze bist. Du bist die unsterbliche und auf immer beseligende Speise der himmlischen Geister, weil deine Vollkommenheiten sich in die Unendlichkeit erstrecken, die allein uns überglücklich machen kann.

    II.

    Die Vollkommenheiten Gottes sind noch unendlich in einer zweiten Art, an Intensität (an innerer Kraft); d.h. daß jede dieser unendlichen Vollkommenheiten, im Einzelnen betrachtet, eine besondere Unendlichkeit von Graden besitzt. Seine Weisheit also ist unendlich in sich, indem sie so viele Grade von Vollkommenheit hat, daß sie sich weder vergrößern, noch daß eine andere Weisheit sich ihr gleichstellen kann. So ist es mit seiner Macht, so mit seiner Glückseligkeit und allen seinen übrigen Eigenschaften. Denn da Gott weder von Jemanden abhängt, noch Etwas empfängt, wer hätte ihm sagen können, wie den Wogen des Meeres: Du darfst bis zu dieser Grenze kommen, du darfst sie nicht überschreiten? Die Grenzbestimmung kommt immer von einer höheren Ursache. Die Länderstriche der Bischöfe sind von dem Papste abgegrenzt und die Gerichtsbezirke der Richter eines Königreichs durch den Willen des Königs. So sind alle Geschöpfe durch den Willen Gottes in ihrer Vollkommenheit abgegrenzt, der ihnen das Maß zumißt, welches er wollte. Aber von wem hängt Gott ab, um die Grenzbestimmung seiner Vollkommenheit zu erhalten?Preiset den Herrn, so viel ihr nur vermöget.... Lobet den Herrn und erhebet ihn, so viel könnet, denn er ist erhaben über alles Lob (Sir 43,32-33).Die Zeit begrenzt ihn nicht, denn er ist ewig; der Ort engt ihn nicht ein, denn er ist unermeßlich; der Geist umfaßt ihn nicht, denn er ist unbegreiflich; das Wort beschreibt ihn nicht, denn er ist unaussprechlich; das Herz erschöpft ihn nicht, denn er ist unendlich liebenswürdig.

    O tausend und tausendmal Unendlicher! O wer hat unendliche und unendlich liebende Herzen! O mein Gott, die Erfahrung lehrt uns, daß je ausgezeichneter die Dinge sind, sie um so mehr geliebt und geschätzt werden. So ist das Silber kostbarer als das Blei, das Gold kostbarer als das Silber und ein reicher Edelstein kostbarer als das Gold und die Sonne überragt alle diese Dinge. In dir, mein Gott, sind alle Vollkommenheiten unendlich, du bist wegen einer unter diesen allein unendlich liebenswürdig, wie vielmehr bist du es wegen aller insgesamt? Denn ich betrachte dich, o mein Gott, als einen Schatz, dessen Reichtümer unzählbar und über jede Schätzung erhaben sind. O welch kostbarer Schatz! Glückselig das Herz, dem du gestattest, dich zu genießen und das dich ohne Maß liebt! O Liebe ohne Ende, gib dich ganz uns und wir werden Alles in dir besitzen.

    III.

    Gott ist auch unendlich in seiner Herrlichkeit. Der Herr ist groß, preiswürdig überaus und seiner Herrlichkeit ist keine Grenze (Ps 144,3). Betrachte den Monarchen, der mit dem größten Glanz der Erde umgeben ist, in der ganzen Pracht seiner königlichen Stadt, in dem Glanz seines Palastes, der von Elfenbein, Marmor und Rubinen schimmert, umgeben von einer großen Zahl Prinzen und adeligen Herrn, die seine Befehle in alle seine weiten Provinzen tragen und von Allem Kunde bringen, was dort geschieht. Wenn wir diese Größe mit der Gottes vergleichen, so ist sie nur ein Schatten und ein eitler Dunst. Ja wenn sogar Gott seit der Erschaffung der Welt jeden Augenblick während der ganzen Ewigkeit neue Größen der des vollkommensten Engels hinzufügen würde, so könnte er immer nur gleichsam ein Pünktchen in der Linie machen.

    O Gott, welche Ehrfurcht müßten wir nicht in deiner Gegenwart empfinden, wenn wir von dir reden, oder an dich denken? Ach Gott, ich könnte mich nicht verwundern, wenn du bei Ausführung deiner ewigen Absichten und bei Entrollung der Pläne deiner göttlichen Vorsehung, mich im Vorbeigehen vertilgen würdest. Denn ich bin ein armseliges Würmchen, das deiner Blicke nicht würdig ist. Ach wenn ich bis unter die Hölle hinabstiege, so wäre ich noch nicht tief genug erniedrigt, um deiner unvergleichlichen Größe zu huldigen. Unendliche Ehrbezeigungen, ein unendlicher Kultus wäre notwendig, o mein Gott, um deine unendliche Größe zu verehren, wie sie es verdient. Wehe den Seelen, die es wagen in deinem Tempel, vor deinem Angesichte ohne Ehrfurcht und ohne Liebe zu erscheinen. Ach, wie konnte ich je so viel Kühnheit oder diese Kraft nur haben, einer unendlichen Größe durch meine Sünden zu widerstehen? Ach höchster Gott, so soll es nicht mehr geschehen. Vermöge deiner unendlichen Größe und meiner unendlichen Niedrigkeit bin ich ganz dein Eigen.

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    Siebente Betrachtung

    Von der Unermeßlichkeit und Allgegenwart Gottes

    I.

    Gott ist an allen Orten der Welt gegenwärtig. Er ist im Osten und Westen, im Norden und Süden, er ist in allen Gegenden der Welt, in allen himmlischen Sphären und auch darüber. Erhabener ist er denn der Himmel. Tiefer ist er als die Unterwelt. Länger als die Erde ist sein Maß und breiter als das Meer (Job 11,8.9). Dieses Vorrecht überall zu sein, entspringt aus seiner unendlichen Erhabenheit, für welche diese ganze Welt ein viel zu kleiner Palast ist, denn je erhabener die geistigen Wesen sind, um so größer ist ihr Vermögen, an allen Orten zugegen zu sein. Daher können die ersten Engel zugleich in einem viel größerem Raume zugegen sein als die letzten. In den Vollkommenheiten Gottes gibt es aber gar keine Beschränkung; also darf es auch keine in seiner Ausdehnung geben. Wenn nun Gott seinen eingegrenzten Raum hätte, den er nicht überschreiten könnte - man mag sich ihn so groß denken als man will - wäre dies nicht seiner Größe unanständig und unwürdig? Denn da er unveränderlich ist, so könnte er nie von einem Orte zum anderen sich begeben, um seine Geschöpfe zu besuchen und mit seiner Gegenwart zu beehren. Er wäre durch seine Unbeweglichkeit für die ganze Ewigkeit festgehalten und gleichsam an diesen Ort festgebunden, was eine Unwürdigkeit und eine unerhörte Sklaverei wäre. Die Vögel können vermöge ihrer Freiheit verschiedene Gegenden besuchen, die Menschen gehen frei auf der Erde umher und die Fische schwimmen ungehindert in den Wassern. Diese Freiheit ist ihnen behaglich und tröstlich. Diese Freiheit hätte aber Gott nicht, wenn er an einem Orte festgehalten wäre, ohne ihn verlassen zu können. Auch die Verbrecher, die angekettet und eingeschlossen sind, können durch die Gunst ihrer Richter entfesselt und ganz in Freiheit gesetzt werden. Und der Ort, wo Gott wäre, hielte ihn für immer fest? Wenn dieses dem gesunden Sinne und der Vernunft anstößig ist, so muß man seine Unermeßlichkeit und seine Allgegenwart angerkennen, ohne ihm Grenzen zu bestimmen. Man muß weiter den Schluß ziehen, daß er nicht nur in allen Teilen der Welt, sondern auch über dieser endlichen Welt in jenen unermeßlichen Räumen ist, wo unser Geist seine Macht gewahrt, wo sie neue Welten zu schaffen vermag, wohin einer seiner seligen Geister sich begeben kann; denn Gott ist überall, wo er sein kann und wo eines seiner Geschöpfe sein kann. Darum hat Augustin von Gott so würdig gesprochen, wenn er sagt, daß Gott gleichsam ein großes Meer sei, dessen Ufer man nicht sieht, a) und in dessen Mitte gleichsam ein Schwamm sich befindet, der von den Wassern ganz durchdrungen ist. Ein Bild dieser Welt, welche die Unermeßlichkeit Gottes durchdringt und in welche sie von allen Seiten eindringt. Immer aber mit diesem Unterschied, daß Gott ganz in der Welt ist, obwohl er ganz außer der Welt ist.
    a) Conf. 1. cap. 5.

    Bewundere, o meine Seele, die unermeßliche Größe deines Gottes, der in allen Geschöpfen verborgen ist und sich über alle Himmel erhebt. a) O großer Gott, du bist in Allem und außer Allem, du bist über Allem und unter Allem. Du bist über Allem, ohne nach Art der Geschöpfe emporgehoben zu sein, unter Allem, ohne erniedrigt zu sein, in Allem, ohne eingeschlossen zu sein, außer Allem, ohne von Etwas ausgeschlossen zu sein, über Allem , indem du Alles unterhälst, in Allem, indem du Alles erfüllst, außer Allem, indem du Alles umschließest. O welche Ehrfurcht sind wir dir überall schuldig, wo wir sind! Du, mein Gott, lehrst mich dadurch, daß es keinen Ort in der Welt gibt, wo die Sünde erlaubt ist. Denn du bist da, der du tausend Ehrenbezeugungen und tausendfacher Anbetung würdig bist. Du lehrst mich, o mein Gott, daß wir, die wir in dir leben, uns bewegen und sind, wie die Vögel in der Luft, wie die Fische in dem Wasser, wenn wir eine begehen, nicht bloß unter deinen Augen , sondern in deiner reinsten Wesenheit selbst sind, wenn wir sie begehen. O welchen Schmerz, welche Schrecken müssen wir nicht darüber empfinden? Ach Gott, wo kann ich mich verbergen? in welche finstere Höhle mich flüchten, um die Schmach meiner Sünde zu begraben? O mein Gott, nur in dir finde ich eine Zuflucht, den du gibst mir Hoffnung, daß du ein reumütiges und zerknirschtes Herz nicht verschmähest (Ps 50).
    a) Hild. Caenom.

    II.

    Gott ist auf verschiedene Arten überall und besonders in unserer Seele; denn Gott ist überall durch seine Wesenheit, durch seine Gegenwart und durch seine Macht. Er ist überall durch seine Wesenheit; denn vermöge seiner Wesenheit umspannt er alle Grenzen der Welt und durchdringt alle Teile derselben; er ist überall durch seine Gegenwart, weil er Alles kennt, Alles sieht und zwar innerlich und äußerlich, so daß Nichts, so klein, so verächtlich und finster es auch ist, seinen Blicken entgeht; er ist überall durch seine Macht, weil er in allen seinen Geschöpfen handelt und wirkt. Er erschafft sie, erhält sie und leitet sie zu ihrem eigentümlichen Ziele und ist bei allen ihren Handlungen mittätig. Überall sind seine unsichtbaren Hände und Alles, was besteht, hängt unmittelbar von ihm ab. Nicht genug, daß er durch die Dazwischenkunst seiner Engel und der zweiten ursachen tätig ist, wie die Könige der Erde es machen. Diese sind von ihrem Palaste aus durch ihre Minister, die gleichsam ihre Hände zur Ausführung ihrer Befehle sind, in allen Teilen ihres Reiches gegenwärtig. Er steht allen seinen Geschöpfen unmittelbar bei und ist unaufhörlich mit ihnen tätig. So ist Gott überall durch seine Macht. Zugleich ist er auf eine ganz besondere Art in der Seele gegenwärtig; denn er ist in ihr durch die Wesenheit und durch die Gegenwart seines Wesens. Mit Wonne und mit Freude ist er in diesem Lichte, das nach seinem Bilde und nach seinem Gleichnisse geschaffen ist. Er selbst sagt, meine Wonne ist es, zu sein bei den Menschenkindern (Sprichw 8,31). Er ist in ihr durch seine Gegenwart und durch seine Erkenntnis und zwar mit einer ganz besonderen Vorsehung, die für ihr Wohl sorgt, indem er sie zu einem sehr edlen und erhabenen Ziele bestimmt und sie mit allen Mitteln ausstattet und versieht, damit sie diese Ziel erreichen kann. Er ist in der Seele durch seine Macht und seine Wirksamkeit, um im höchsten Grade seine Güte ihr mitzuteilen und mit ihr überaus mittätig zu sein; denn er beruft sie durch sein äußeres Wort, heiligt sie durch seine rechtfertigende Gnade und durch Eingießung der erhabensten Tugenden. Er ist also mit ihr mittätig auf doppelter Art, für ihre natürlichen Werke und für ihre übernatürlichen Werke.

    Welchen Schatz besitzt also meine Seele in sich. O wenn sie ihn nur zu würdigen wüßte! sie besitzt in sich den Gegenstand ihrer Hoffnungen und all ihres Verlangens. O welchen Trost und welche Zuversicht muß ihr die Gegenwart dieses Herrn in allen ihren Trübsalen bereiten. Gott wohnt in ihr, Gott, der so reich, so schön und so mächtig und ein so guter Freund ist, daß er sie nie verläßt. Meine Seele betrübe dich nicht mehr über die Verluste, die in dieser Welt dich treffen, kehre in dich, da findest du dein Gut. Das Reich Gottes ist in euch (Luk 17), und der Gott dieses Reiches selbst hat seine Wohnung in dir. Ach, dieser große Gott ist in dem Herzen und das Herz entfernt sich oft in Undankbarkeit von ihm! Kehre doch in dich zurück, treuloses Herz, bringe deine Verehrung und opfere deine Huldigung diesem himmlischen Gaste. Fühle ihn, der in dir wirkt, und betrage dich so gegen ihn, wie es seinem unendlichen Adel und seiner unendlichen Größe gebührt.

    III.

    Obwohl aber Gott an allen Orten der Welt ohne Ausnahme gegenwärtig ist, so verursacht ihm dieses doch keine schlimme Eigenschaft. Die Bosheit der Welt verdirbt ihn nicht, die Bekanntschaft mit der Welt beschmutzt ihn nicht, und weder die Qualen noch die Verbrechen der Hölle berühren ihn. Gleichwie die Strahlen der Sonne auch im Kote ihre Reinheit bewahren und keinen Schmutz an sich ziehen, so ist auch Gott in seiner Allgegenwart unverletzlich in seiner Schönheit, in seiner Reinheit, in seinem Glanze, in seiner Heiligkeit, die vollkommen sich erhalten. Die innere Einheit, sagt der heil. Dionysius, die er in sich selbst besitz, verläßt ihn nie a). Er bleibt in sich selbst unbeweglich, beständig und unveränderlich fest. Daher kommt es, daß er in der Nähe der Geschöpfe seine Glanz nicht ändert und nicht trübt; er ist stet erhaben über sie, außer aller Berührung mit ihnen und außer aller Eindrücke von ihnen. Das ist das Wunder seiner Wesenheit. So sehr er allen Geschöpfen durch seine Unermeßlichkeit nahe ist, so ist er aber durch seine Unendlichkeit und die erhabene Würde seiner Natur von ihnen entfernt. Er ist ganz und gar sehr nah und sehr gesondert, sehr vereinigt und sehr abgeschieden, sehr gegenwärtig und sehr entfernt. Und so bleibt er immer in seiner Einheit und in seiner Sammlung in sich er ist unveränderlich in seiner Reinheit mitten unter allen Geschöpfen, so verderbt dieselben auch sein mögen.
    a) De Coel. hierach.

    Ich freue mich, o mein Gott, daß du an deiner Reinheit keinen Schaden nimmst, wie sehr du auch zu dem Geschöpfe in seiner äußeren Beziehung stehst. Ach Gott, wenn die Menschen so wenig Güte besitzen - sie mögen noch so viel besitzen, so ist es doch wenig - so ist der Umgang mit der Welt für sein ein gefahrvolles Meer, wo sie Schiffbruch leiden und von wo sie immer schlechter zurückkommen als sie beim Hingehen wahren. Sie kommen geldgeiziger, grausamer, ehrgeiziger zurück. O Gott, könnte ich deine bewunderungswürdige Vollkommenheit nachahmen! O könnte ich beim Verkehre mit der Welt immer inner gesammelt bleiben, damit dich durch den Umgang mit den Menschen mich nicht beflecke und nicht lasterhafter werde.

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    Achte Betrachtung

    Von der Unveränderlichkeit Gottes

    I.

    Gott ist, an und für sich selbst und nach seiner Natur betrachtet, unveränderlich und immer derselbe. So wie er vor der Schöpfung des Weltalls war, ist er heute noch und wird die ganze Ewigkeit bleiben und seine Wesenheit wird sich nie ändern. Bei ihm ist keine Veränderung und kein Schatten von Veränderlichkeit (Jak 1), wie in der Sonne, die verschiedene Stelllungen einnimmt, und so oft hinter dem Schatten des Mondes sich verfinstert und hinter den Wolken sich verbirgt. Denn wenn Gott sich beränderte, sagt Plato, so müßte er entweder aus sich selbst oder durch einen anderen sich ändern. Durch einen anderen kann er sich nicht ändern. Denn je besser Etwas zusammengesetz, und je besser der Zustand ist, in dem es sich befindet, um so sicherer wiedersteht es fremder Macht. Ein Körper mit einer guten Konstitution erleidet durch die Arbeit keine Veränderung; ein gut gepflanzter Baum widersteht der Gewalt des Windes; ein Geist, der Stärke und Weisheit besitz, wird von keiner Leidenschaft beunruhigt; die Schiffe, die gut gebaut sind, die Gebäude, die ein gutes Fundament haben, mit einem Wort: Alles, was dauerhaft und fest ist, ist keiner Veränderung unterworfen. Da nun Gott vollkommen ist, kann er keine Veränderung von Außen erhalten. Er kann aber auf gleiche Weise nicht durch sich sich ändern; denn dieses könnte nur geschehen, um besser und vollkommener zu werden, als er eben ist. Dieses ist aber unmöglich, weil nichts Schöneres und Vollkommeneres gedacht werden kann. Er besitzt alle Güter mit beständiger und unveränderlicher Glückseligkeit. Er könnte sich verändern, um sich zu verschlechtern. Aber auch dieses ist unmöglich. Denn wer in aller Welt will mit vollkommen freiem Willen schlechter werden und sich selbst herabsetzen? Gott ist also notwendig, nach allen Seiten betrachtet, unveränderlich. Man kann Gott gleichsam mit einem Festungsplatze vergleichen, der von allen Seiten mit Bollwerken und Befestigungen versehen ist, die ihn uneinnehmbar machen; denn er ist ebenso von allen seinen Eigenschaften umgeben, die ihn der Veränderlichkeit unzugänglich machen, sie mag sich ihm aufdrängen, von welcher Seite sie will. Seine Ewigkeit befestigt sein Bestehen gegen den Zahn der Zeit, so daß sie weder Anfang noch Ende ihm mitteilen kann. Vermöge seiner Unermeßlichkeit ist er an allen möglichen Orten, so daß er eine Stelle nie zu verlassen braucht, um an die andere sich begeben. Seine Weisheit und seine unendliche Erkenntnis verleiht ihm stets sichere Pläne und Beschlüsse, die er darum nie zu ändern bracht. Kurz seine vollkommene Glückseligkeit verursacht seine ewige Zufriedenheit in dem Besitze seiner selbst, ohne daß er etwas Anderes begehrt.

    O Gott, immer derselbe, immer unfähig zum Leiden und unsterblich! Ich wünsche dir Glück, daß du von Ewigkeit zu Ewigkeit glückselig und unveränderlich bist und bleibst. Wie glücklich ist das Geschöpf, das dir sich ganz weiht; der du unsterblich bist und unaufhörlich fortbestehst! Den Großen der Welt zu dienen mag wegen ihrer wunderlichen und veränderlichen Launen schwer sein. Noch viel schwieriger ist aber ihr Dienst wegen der Hinfälligkeit ihres Lebens; denn wenn diese Oberhand erhält, beraubt sie die Diener der geliebten Person und nimmt den Gegenstand ihrer Hoffnung hinweg. Wer aber dir dient, o Gott, ist versichert, daß dein Glück nie wanken und daß der Tod nie seiner Liebe dich entreißen wird. Du bist für Jeden, der dich besitzt, ein ewiges Gut. O mein Herr, möchte ich dir dienen! o nie wankendes stets sicheres Gut, möchte ich dich einmal für immer genießen. Da wäre ich glücklich in meinem Leben und befestigt in dir.

    II.

    Gott ist auch unveränderlich in seinem Verhalten und in seinen Handlungen bezüglich der Geschöpfe, denn es mag ihnen begenen oder in ihnen vorgehen, was da will, auf ihn kann eine Veränderung nicht übergehen. Gott bleibt immer derselbe, sei es, daß er sie will oder nicht will, daß er sie schafft oder nicht schafft, er betrachtet sie immer in seiner Ruhe, in seinem Frieden, in seiner unveränderlichen Selbstzufriedenheit. Wenn die Menschen ihn bleidigen und sich gegen ihn verschwören, so ist er darüber nicht betrübt; denn er weiß, daß es ihrer Undankbarkeit und Verderbtheit nicht gelingen wird, durch ihre Beschimpfungen und durch ihre Gotteslästerungen im Geringsten ihm einen Abtrag zu tun. Wenn sie auf der anderen Seite ihm dienen und ihn ehren, so empfängt er dadurch keine neue Freude, denn er weiß wohl, daß sie durch alle ihre Ehre ihn in Nichts vergrößern können. Job sagt darum: War nützt es Gott, wenn du gerecht bist? oder was verschaffst du ihm, wenn makellos dein Wandel ist? (Job 22,3). Endlich, wenn er manchmal seine Engel aussendet und manchmal nicht, wenn er eben seine Gnade erteilt und nachher sie zurückzieht, wenn er die Sünden straft und dann wieder tut, als sähe er sie nicht, so sind dieses Alles keine Veränderungen in ihm, sondern bloß in seinen Geschöpfen. Er ändert seine Werke, sagt der heil. Augustin, ohne seine Ratschlüsse zu ändern a), d.h. der Unveränderliche verändert Alles, und er ist nie alt und nie neu. Er erneuert Ales, und macht die Fürsten altern und führt sie ihrem Ende zu, ohne daß sie es vermuten.
    a) Conf. 1. cap. 4.

    O Gott, immer derselbe unter allen Wechseln und Wirren der Geschöpfe, ich freue mich, daß du im höchsten Gute so besfestigt bist, daß es nicht einmal möglich ist, Etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen, und daß Nichts, was in der Welt vorkommt, dich beunruhigt. O möchte es Gott gefallen, daß ich diese Beständigkeit nachahme, so daß mir weder die Widerwärtigkeiten Widerwillen, noch die günstigen Verhältnisse eitle Freude einflößen. Möchte dieser Entschluß, den ich habe, dir zu dienen nicht durch die Zufälle und Ereignisse dieses sterblichen Lebens wankend gemacht werden. O möchte ich wie der heil. Paulus sein. Wer wird uns denn scheiden von der Liebe Christi? Trübsal? der Bedrängnis? oder Hunger? oder Blöße? oder Gefahr? oder Verfolgung? oder das Schwert?...Denn ich bin gewiß, daß weder Tod, noch Leben, weder Engel, noch Fürstentümer, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Macht, noch Hoheit, noch Tiefe, noch irgend welch ein Geschöpf wird vermögen, uns zu scheiden von der Liebe Gottes (Röm 8,35.38.39). Aber wir sind unbeständig, und in einem Augenblicke verwandelt sich unsere Hoffnung in ungerecht Furcht, unsere Bescheidenheit in Zügellosigkeit, unser Stillschweigen in eitles Geschwätz, unsere Demut in Stolz, unsere Liebe in Groll und unsere Tugend in Laster. O ewiger Gott, wenn wir in diesem unvollkommenen Leben, um zur Ruhe zu kommen, eine Veränderung notwendig haben, o möchten wir dann nicht vom Guten zum Bösen, sondern vom Bösen zum Guten durch eine wahre Bekehrung uns ändern und vom Guten zum Besseren durch einen beständigen Fortschritt in den Werken der Tugend, zu der du uns berufst.

    III.

    Betrachte, daß Gott allein unveränderlich ist, und daß alle Geschöpfe wandelbar und unbeständig sind. Die Elemente zerstören sich, eines das andere, und gestalten sich unaufhörlich durch ihren Wechsel und ihre endlosen Erneuerungen um. Die Pflanzen, die Tiere, die Leiber der Menschen gehen täglich ihrem Untergange entgegen, um neuen Geschöpfen Platz zu machen, die mit dem sich schmücken , was jene verlassen haben. Selbst die Himmel, mit den Sternen, mit den Planeten verändern sich, und ihre Wesenheit selbst kann durch Gott vernichtet werden; denn er hat über Alles Gewalt. Die Engel auf gleiche Weise, unsterblicher Natur, ändern ihre Eigenschaften, und könnten durch die unbeschränkte Macht desjenigen, der sie ins Dasein gerufen hat, in den Abgrund des Nichts verstoßen werden. Die großen Monarchien in der Welt sind zerstört worden. Die blühendsten Städte Ninive, Babylon, Rom und ihnen ähnliche sind hinweggefegt. Das höchste Glück der Großen geht zu Grund, und nur im Vorbeigehen genießt man Zufriedenheit. Und unter allen diesen Dingen ist der Mensch ein flüchtiger Schatten und hat nie Bestand. Seine Pläne und Entschlüsse leiden an beständiger Schwankung, flatterhaft ist er von Gemüt und seine Leidenschaften beunruhigen und rütteln ihn von allen Seiten. Selbst im Augenblicke seiner Geburt verfolgt ihn schon der Tod und teilt mit ihm den ersten Tag seines Lebens. Endlich, so oft Gott ihm fehlt, ist es ihm an keinem Orte dieser veränderlichen Welt wohl, und er kommt so weit, daß er fast nur an dem Wechsel und an der Neuheit Vergnügen und Zufriedenheit genießt.

    O mein Gott, wo kann ich mir Halt geben? wo kann ich sichere Hoffnung fassen, wenn nicht in dir, o mein Gott? Alles ist Flugsand in dieser Welt, und diese ein stürmisches Meer, und du allein, o mein Gott, bist der unerschütterliche Fels. Ich halte mich allein an dir, meine Hoffnung setze ich nicht mehr auf ein Geschöpf der Erde, nicht mehr auf dieses gebrechliche und hinfällige Leben, das nur zunimmt, um abzunehmen, das nur voranschreitet, um dem Tode sich zu nähern. Ach mein Gott, mein höchstes Gut, befestige mich in dir allen, und gestatte nicht, daß ich michvon dir auch nur einen Augenblick trenne.

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    Neunte Betrachtung

    Von der Ewigkeit Gottes

    I.

    Die Ewigkeit Gottes besteht zuerst in dem Besitze eines Lebens ohne Grenzen, ohne Anfang und ohne a) Ende; denn das Leben kann zwei Grenzen haben, die eine, die ihm vorausgeht und die andere, die ihm folgt. Die Grenze, die vorausgeht, ist der Anfang des Lebens, und die Grenze, die folgt, ist das Ende. Alle Geschöpfe hatten die erste Grenze, als Gott sie zu der Zeit, in welcher er wollte, aus dem Nichts hervorzug. Und was die zweite Grenze betrifft, nämlich das Ende, so bekommen alle sterblichen Geschöpfe dieselbe alle tage in ihrer Schwäche, und die unsterblichen können sie erhalten, wenn Gott durch seine Allmacht sie vernichten wollte. In dieser Beziehung sind die lebenden Geschöpfe nicht ewig, weil sie begrenzt sind und nach dem Wohlgefallen Gottes es sein können, der allein den vorzug hat, ewig zu sein und ein Leben ohne Ende zu besitzen.
    Das ist der Alte an Tagen (Dan 7,22). Das ist der Erste und der Letzte (Is 41,4). Sein Leben geht allen menschlichen Gedenken voraus und schreitet vor allen Jahrhunderten einher. Es hat keine Anfang, und sowie es nie angefangen, so wird es auch nie endigen. Es wird immer bestehen, während Jahrezeiten und Jahre voran- und vorübergehen. Er ist wie ein unerschütterlicher Fels, der sich mitten in einem großen und reißenden Fluß erhebt, wo er fest stehen bleibt, während die Wasser vorübereilen und von Augenblick zu Augenblick wechseln, die Wellen sich brechen und verschwinden, eine nach der anderen. Die Unveränderlichkeit, die untrennbar mit ihm verbunden ist, ist der Beweis und das sichere Merkmal seiner Ewigkeit. Denn da er unveränderlich ist, muß er notwendig ohne Anfang und ohne Ende sein. Er wäre nicht unveränderlich, wenn er aus dem Nichts ins Dasein getreten wäre, indem er angefangen hätte zu sein, oder wenn er vom Sein ins Nichts wieder zurücktrete, indem er aufhörte zu sein. Aber es war Niemand, der ihm beim Beginne seines Lebens, das Wesen hätte geben können, gleichwie Niemand ist, der Gewalt über ihn üben und ihn vernichten könnte. Außerdem gibt es in seinem ganz vollkommenen Wesen keinen Mangel, keine Gegensätzlichkeit, die es zerstören, abnutzen oder vom Leben entheben könnte.
    a) Boetius, 1.5. de consol. prosa 6.

    Ja, so ist es, o ewiger Gott! dein Leben ist ohne Grenze, du bist Jahrhunderte hindurch und wirst in Jahrhunderten noch sein. Du aber bist immer derselbe und deine Jahre enden nicht (Ps 101,28). Ich freue mich sehr über dein Glück, daß du nicht der Vergänglichkeit unterliegst und daß du nie zu befürchten hast, es je zu verlieren. Die mächtigsten Könige würden tausendmal glücklicher sich schätzen, wenn ihre Reiche unvergänglich und ihr Leben unsterblich wäre. Aber die Besorgnis, daß der Tod ihnen Szepter und Krone entreißen und ihren Thron mit einem Grabe vertauschen wird, vermindert ihr Glück.
    Du aber, unsterblicher König der Ewigkeit, du hast immer geherrscht, du bist für immer der Beständigkeit deiner Glorie sicher. Sie wird weder untergehen, noch eine Abnahme erleiden. Du hast von Natur aus, was die Geschöpfe so gierig verlangen, nämlich das Glück, unsterblich zu sein. O Gott, besitze, besitze immer diese Ewigkeit voll Seligkeit und Glorie!

    II.

    Die Ewigkeit ist nicht bloß der Besitz eines Lebens ohne Grenzen, sondern auch eines Lebens, das ganz zugleich besteht, d.h. der Besitz eines Lebens, wo Alles beisammen ist. Dieses Wort ganz zugleich verdient eine aufmerksame Beachtung und schließt gleichsam eine der Haupteigenschaften der Größe der göttlichen Glückseligkeit ein. Dieses Wort ganz zugleich besagt alle Arten von Gütern zusammen und zu gleicher Zeit. Dieses Wort will sagen, daß das Gut, das in Gott ist, in ihm immer war und immer sein wird, denn da er die reine Wirklichkeit ist, so hatte er immer auf einmal, ohne Zeitfolge, nicht teilweise und nicht zur Hälfte alle seine Reichtümer, alle seine Erhabenheiten und die ganze Glückseligkeit, die ihm möglich ist, gehabt. So ist es nicht mit den Geschöpfen dieser Welt. Sie besitzen nicht ihr ganzes Gut auf einmal. Wir sehen, daß sie klein sind im Anfang, allmälig heranwachsen und daß sie noch sehr oft so unglücklich sind, beim Erwerbe eines Gutes ein anderes Gut verlieren müssen, in dessen friedlichem Genusse sie vorher waren, gleichwie die Früchte die wohlriechenden Blüten von den Bäumen verdrängen. Ein Geschöpf hat vielleicht in seiner Jugend Schönheit, aber ist oft unbescheiden und unverständig, und wenn mit dem Alter die Klugheit kommt, nimmt Schönheit und Kraft ab. Ein Mensch hat in der Kraft seiner Jahre den Mut zu kämpfen, aber die Umsicht fehlt, und wenn mit den Jahren die Umsicht kommt, so ist bereits Schwäche eingetreten. So besitzen die Geschöpfe dieser Welt nie in derselben Zeit alle Arten Güter. Wenn auch die Engelwesen und die Geiser von dem ersten Augenblicke ihrer Schöpfung an vollkommen waren, so hatten sie damals nicht auch schon die zufälligen Eigenschaften, die sie adeln könnten, denn zu verschiedenen Zeiten nehmen sie verschiedene Eigenschaften an und über verschiedenartige Handlungen aus. Sie steigen auf Stufen und durch Grade zur Vollkommenheit und genießen jetzt eine Freude und jetzt wieder eine; denn über alle ihre Güter können sie nicht zu gleicher Zeit und auf einmal sich ergötzen. Dieses ist ein Vorrecht Gottes. Er besaß Alles zu gleicher Zeit, was er besitzen konnte. Er genoß so viele Glückseligkeit und genießt sie unaufhörlich, als unendliche Jahrhunderte in sich fassen können. Dieses Vorrecht, diese Glückseligkeit erstreckt sich auf die ganze Ewigkeit und ist in ihm vereinigt in jedem Augenblick. Er besitzt immer alle seine Reichtümer und seine Kräfte und erhält sie sich stets unversehrt.

    O ewiger Gott, wie glückselig bist du durch deine Ewigkeit, die dich mit allen Gütern zugleich überschüttet! O unendlich glückseliger Gott, wie liebenswürdig bist du zu jeder Zeit, wie vor der Schöpfung der Welt, wie jetzt und wie wirst du es immer sein. O liebenswürdiger Gott, wer wird dir die Lieben zollen, die dir gebührt von aller Zeit her, die man jetzt dir schuldet und immer schulden wird. O mein Gott, verleihe mir, daß alle meine Kräfte und alle meine Gemütsbewegungen auf einmal sich sammeln, damit ich sie dir aufopfern kann! O mein Gott, gib mir zugleich alle meine Liebe, der mein Herz fähig ist, damit ich dir jetzt, ohne in der Liebe nachzulassen, mit der ganzen Vollkommenheit liebe, die einem armen Geschöpfe möglich ist.

    III.

    Die Ewigkeit ist auch noch ein vollkommener Besitz dieses Lebens, d. h. ein Besitz, in dem es keinen Mangel und keine Abnahme gibt. Es kann also im Besitze eines solchen Lebens, wo alle Güter vereinigt sind, kein Über geben, gleichwie die Sonne für die Finsternis nicht empfänglich ist, da sie das glänzendste Licht der ganzen Welt enthält. In der Tat besitzt das Leben mit allen Bedingungen, die einen Besitz vollkommen machen können. Die erste dieser Bedingungen ist, dass die besessene Sache Einem allein gehört; denn wer mit einem Anderen bestitzt, bestitzt nicht ganz, besitzt nicht vollkommen. Gott aber besitzt das unbegrenzte Leben ganz allein und Niemand lebt ein Leben wie das seinige. Die zweite Bedingung ist, dass es in Unabhängigkeit von einem Anderen besessen wird, denn wer ein Land mit einem Anderen besitzt, ist nicht der höchste Herr darüber und hat nicht die ganze Ehre, die im Besitze eines Gutes sein kann. Gott besitzt sein Leben ohne Abhängigkeit, er besitzt es als alleiniger Herr und schuldet Niemanden eine Huldigung und ist Niemanden verpflichtet, wer er auch sei. Drittens, ein vollkommener Besitz muss auch Sicherheit haben. Denn wer ein Gut besitzt und dabei fürchten muss, es zu verlieten und desselben beraubt oder im Besitze dieses Gutes gestört zu werden, hat nicht die Zufriedenheit, welche der Besitz dieses Gutes verursachen kann. Seine Beängstigungen bringen ihm nebst dem Gute vieles Elend. Gott ist aber von allem Diesem weit entfernt; denn er besitzt sein Leben und alle seine Güter mit einer vollkommenen Sicherheit, dass Niemand sie ihm entreißen und Niemand, auch nur wenig, in einem von denselben iihn beunruhigen kann. Da also der Besitz seines Lebens vollkommen ist, so ist dieser Besitz die wahre Ewigkeit.

    O Gott, dein Besitz sei immer vollkommen! Ich erkenne, dass du allein das höchste Gut vollkommen besitzest; denn wir besitzen Nichts vollkommen, wir sind wahrhaft arm, du allein bist reich. Und da der Arme am Reichen durch seinen Beistand eine Zuflucht hat, so eile ich in deine Arme, o mein Gott. Ich rufe dich um Hilfe an. Mein Leben rückt alle Tage seinem Ende näher, Nichts bleibt mir von seinen vergänglichen Gütern, gib mir wenigstens deine Liebe. O meine Hoffnung, wenn du mich erhörst, will ich dir mein Herz mit tausen Lobpreisungen opfern.

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    Zehnte Betrachtung

    Von der Einheit Gottes

    I.

    Gott muß einig sein und es kann nicht mehrere Götter geben; denn er besteht in seiner Größe und Erhabenheit nur durch die Einheit seiner Natur. Der Grund davon ist, dass, um das erste Wesen, das höchste Wesen, unabhängig und im höchsten Grade vollkommen und derjenige zu sein, unter dem sich Alles beugt, es absolut notwendig ist, dass er einig sei und keinen Gleichen neben sich habe. Denn wenn er einen Gleichen neben sich hätte, der ein anderer Gott, von anderer Natur wäre, so wäre er nicht der Erste. Dieser Gleiche wäre so viel wie er und könnte ihm die Ehre des Mehrseins streitig machen. Er wäre nicht der Höchste, denn unter Gleichen gibt es keinen Vorrang. Er wäre nicht unabhängig, denn er müßte von dem anderen abhängen, der, da er Gott wäre, als ganz anderer den Vorzug hätte, dass er ihm seine Herrschaft streitig machte. Er wäre nicht im höchsten Grade vollkommen, denn er hätte nicht die unendliche Vollkommenheit, die in einem anderen wäre, um ihn von jenem zu unterscheiden. Es würde nicht Alles von ihm abhängen, denn er ihm gleich wäre, würde Nichts von ihm erhalten und wäre ihm keine Unterwerfung schuldig. Damit also Gott sei, der er ist, das erste Wesen, das höchste Wesen, das unabhängige Wesen, das ganz vollkommene Wesen, und dasjenige, dem Alles unterworden ist, muß er einig sein. Dadurch übertrifft er alle Geschöpfe, deren Natur sich alle Tage vervielfältigt, so dass wir mehrere Menschen, mehrere Engel derselben Gattung sehen. Und wenn es auch wahr ist, dass es nur eine Sonne gibt, so kann doch Gott so viele Sonnen schaffen, als es kleine Sperlinge und Fliegen und Sterne am Firmamente gibt. Darum können die seltensten Dinge der Welt ganz allgemein werden. Aber es gibt nur eine Gott, der notwendig einig ist, und der nicht vervielfältigt werden kann, weshalb seine Herrschaft unumschränkt ist.

    O einiges Wesen und unvergleichlicher Gott. ich wünsche dir Glück zu deiner Einheit, ich freue mich, dass du so erhaben bist, dass Niemand dir nahen kann, um sich dir gleichstellen zu können. Wer ist denn Gott außer dem Herrn? oder wer Gott außer unserem Gott? (Ps 17,32). Ach, ich wäre tief betrübt, wenn ein anderer Gott wäre wie du und wenn deine Glorie von einem anderen geteilt würde. O Gott der Welt, herrsche immer in deiner Einheit, sei immer der Einige und der Gott ohne Gleichen.

    II.

    Es ist auch eine Forderung der Welt, dass es nur einen Gott gibt.

    HARTMUT GEISLER
    www.hartmut-geisler.de